Aussetzung für Richtwerte für KdU

27. August 2020

Vorbemerkung:
Dieser Antrag ist ein gemeinsamer Antrag von Bündnis für Bürger, DIE LINKE und
Freien Wählern gewesen und sollte die Situation der EmpfängerInnen von Kosten für
Unterkunft erleichtern. Abgelehnt wurde der Antrag von CDU, Die Grünen, FDP, SPD
und SSW.

Zum Antrag:
Bestimmung der Erstattung der Kosten für Unterkunft – Stopp der Umsetzung
der neuen Richtlinie des Kreises

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
dieser Antrag sollte für Sie der wichtigste Antrag der heutigen Kreistagssitzung,
dieser Kreistagsperiode und eventuell Ihrer gesamten Zeit als Kreistagsmitglied sein,
da Sie mit diesem Antrag direkt über das Wohl und Wehe von Menschen
entscheiden. Mit Ihrem Votum übernehmen Sie persönlich eine direkte
Verantwortung für Menschen. Sie sind also persönlich in der Pflicht.

Meine Damen und Herren,
wir legen Ihnen unseren Antrag, die neueste Richtlinie zur Zahlung der Kosten für
Unterkunft vorerst nicht anzuwenden, aus drei Gründen zur Abstimmung vor:
1. Die Wohnungssituation im Kreis Schleswig-Flensburg ändert sich derzeit
dramatisch. Damit sind die in der Septembersitzung 2015 vom Kreistag
beschlossenen Richtwerten für angemessene Kosten der Unterkunft
Makulatur.
2. Seit Anfang Dezember 2015 liegt uns die Langfassung der Studie vom „Institut
Wohnen und Umwelt“ (IWU) vor. Damit wird jetzt für alle sichtbar, dass der
Kreistag bei seiner Beschlussfassung im September dieses Jahres von völlig
falschen Voraussetzungen ausgegangen ist.
3. Das Vorgehen des Jobcenters in Sachen Kosten der Unterkunft (KdU) war
äußerst fahrlässig, als es mit einem Schreiben an die betroffenen
Hilfebedürftigen Angst, Verzweiflung und Panik verbreitet hat.
Diese drei Punkte erläutere ich jetzt.

Zur Situation auf dem Wohnungsmarkt im Kreis nach dem Kreistagsbeschluss vom
23. September 2015 muss ich gar nicht mehr so viel sagen. Zum einen hat das
schon mein Vorredner getan; zum anderen gibt es einen Artikel im Flensburger
Tageblatt vom 03.12.2015, in dem Hannes Harding hervorragend die Situation vieler
Hilfeempfänger und ihre Verunsicherung beschreibt. Dieser Artikel ist gut, wenn
nicht sogar sehr gut.
Ich denke, die meisten von Ihnen haben diesen Artikel gelesen, wissen also worum
es geht.

Völlig verständlich ist der Wunsch des Landrats, eine rechtssichere Grundlage für die
Arbeit der Verwaltung zu bekommen.
Verständlich ist auch der Wunsch nach einem „schlüssigen Konzept“. Aber nicht
verständlich ist es, wenn das nur unter dem Gesichtspunkt der Kosteneinsparung
geschehen soll.

Jetzt liegt die Langfassung des Gutachtens des IWU vor, das die Grundlage ist für
die Festlegung von neuen Richtwerten bei der Zahlung von Kosten für Unterkunft.

Wenn wir die Untersuchung des IWU genauer lesen, dann müssen wir feststellen,
dass der Kreistag im September übereilt gehandelt hat, als er die neuen Werte
festlegte. Abgelehnt haben diese beschlossenen Richtwerte damals nur Bündnis für
Bürger und DIE LINKE. Heute drängt sich die Frage auf, warum der Kreistag nicht
erst die Vorlage der Untersuchung abgewartet hat, sondern ohne Kenntnis dieser
Ausarbeitung entschieden hat. Es bleibt das ungute Gefühl, dass dieser Beschluss
„durchgepeitscht“ wurde.

Die Begründung für den damals vorgelegten Antrag (Verwaltungsvorlage 146/2015)
bestand aus 11 Absätzen. Die ersten fünf Absätze beschreiben allein die rechtliche
Situation zu den Kosten der Unterkunft, geben also keinen Hinweis darauf, ob das
jetzt vorgelegte Konzept methodisch haltbar ist.
In den weiteren sechs Absätzen wird vorab auf das Ergebnis der Untersuchung und
wird auf die Auswirkungen Bezug genommen; auch hier gibt es keinen Hinweis
darauf, ob das vorgelegte Konzept einer rechtlichen Prüfung Stand hält.

Das vorgelegte Konzept ist methodisch nicht haltbar und damit rechtlich nicht
anwendbar. Der Kreis hat sich mit der externen Beratung nur Zeit erkauft und
Kosten, die dadurch anfallen, auf die nächsten Jahre verschoben.

Hier nur ein paar Stichworte zur Begründung:

Unklar und rechtlich zu überprüfen ist u.a.,
->ob dem Konzept wirklich ein „qualifizierter Mietspiegel“ zu Grunde liegt;
->ob die Verwendung der Bestandsdaten der Leistungsempfänger rechtlich korrekt
ist;
->ob diese Daten statistisch korrekt weiter verarbeitet wurden,
->ob der Kreis Schleswig-Flensburg wirklich mit dem Kreis Offenfach vergleichbar
ist, auf den das IWU als Begründung hinweist;
->ob unter den gegebenen Voraussetzungen das Urteil des Landessozialgerichts
Bayern auf unseren Kreis übertragbar ist;
->ob die Zusammensetzung des Wohnungsmarktes im Kreis Schleswig-Flensburg
methodisch richtig gewichtet wurde;
->ob die Ersetzung eines Mietspiegeldatensatzes (als Grundlage im Kreis
Offenbach angewandt) durch die unvollständige Angebotsmietenerhebung (als
Grundlage für den Kreis Schleswig-Flensburg) aussagekräftig ist.

Das vorgelegte sogenannte „Schlüssige Konzept“ ähnelt eher einem
Gefälligkeitsgutachten. Damit sind die beschlossenen Richtwerte nicht mehr haltbar.

Und nun zum Schreiben des JOB-Centers an die KdU-EmpfängerInnen.
Dieses Schreiben ist sehr geschickt formuliert, in der Methode und Vorgehensweise
jedoch abzulehnen.
Mit dem Schreiben wird eiskalt versucht, den eigenen Haushalt auf dem Rücken der
Hilfebedürftigen zu sanieren. Zahlen sind wichtiger als Menschen.
Der Text erweckt den Anschein eines offiziellen Schreibens mit
Aufforderungscharakter. Er unterstellt per se erst einmal, dass die Mietkosten zu
hoch sind. Es wird im Schreiben nicht erwähnt, dass die derzeitigen Mieten von Job
Center genehmigt Mieten sind. Bestandsschutz wird nicht gewährt.
Der Text ist viel zu kompliziert geschrieben und für einen ungeübten Leser nur
schwer verständlich. Es gibt kein Hinweis durch die Verwaltung, auf die Möglichkeit
der rechtlichen Überprüfung durch einen Rechtsanwalt, bevor die Wohnung
gewechselt wird und auch keine Rechtsmittelbelehrung.
Bewusst werden durch die Art und Weise des Schreibens das Nichtwissen, die
Unsicherheit und Ängste der Betroffenen ausgenutzt und das alles mit der Arroganz
einer Behörde, in der behördlicher Mitarbeiter einen abgesicherten Arbeitsplatz
haben.

Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, ihre Entscheidung vom September zu
korrigieren. Haben Sie die die persönliche Größe, heute unserem Antrag
zuzustimmen.

Vielen Dank.
Manfred. Küter,