DIE LINKE: TTIP, CETA und TiSA ablehnen

26. August 2020

Sehr geehrter Herr Kreispräsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Unter diesem Tagesordnungspunkt werden wir über TTIP und CETA reden. Für
unsere Beratungen liegen uns heute zwei unterschiedliche Anträge vor. Beide
Anträge zielen aber in die gleiche Richtung: Mit beiden Anträgen soll etwas
Gefährliches verhindert werden, denn TTIP und CETA gefährden die demokratischen
und sozialen Errungenschaften in unserem Land.

Die Süddeutsche Zeitung hat das, was da geheim verhandelt wird, sogar als
„heimlichen Staatsstreich“ bezeichnet.

Es liegen uns zur Beratung und Abstimmung vor: ein Antrag der CDU-Fraktion und
ein Änderungsantrag DER LINKEN, der eine Initiative der SPD aufgreift. Der Antrag
DER LINKEN, für den ich jetzt hier spreche, ist in seinem Ursprung ein Antrag der
SPD-Fraktion, den die SPD in die Kreistagssitzung vom 29. September 2014
eingebracht hat.
Dieser SPD-Antrag liefert in seiner Begründung eine sehr gute Darstellung über die
Problematik von TTIP und damit über die Gefährlichkeit dieses Abkommens.
Diese Begründung werde ich hier nicht noch einmal vortragen. Jeder hat sie vor sich
liegen.

Meine Damen und Herren,
die Problematik der Inhalte vom Freihandelsabkommen TTIP ist sehr vielschichtig.

Jede Interessengruppe hat ihre eigenen Kritikpunkte an dem geplanten Abkommen.
DIE LINKE hat zur Vorbereitung unserer Diskussion den SPD-Antrag in sechs
Punkten konkretisiert, damit wir uns hier im Kreistag auf das Wesentliche
konzentrieren können und nicht allzu sehr in Nebensächlichkeiten abschweifen.
Die beiden vorliegenden Anträge unterscheiden sich dadurch, dass der eine Antrag
eher grundsätzlich gehalten ist. Das ist der Änderungsantrag DER LINKEN. Er
befasst sich mit der Gesamtproblematik und weist darauf hin, wie gefährlich TTIP in
den Folgewirkungen für alle Bereiche der Gesellschaft ist.

Der zweite Antrag, der von der CDU, befasst sich eher mit den Auswirkungen von
TTIP auf die Städte, Kreise und Gemeinden. Er ist sozusagen ein Antrag der Kommunen für die Kommunen.
Und das ist auch gut so, denn der verschärfte Kostendruck auf der Grundlage von TTIP, der zukünftig durch globale Konzerne
entstehen wird, wird auch vor regionalen Erzeugern und Dienstleistern nicht Halt
machen. Das gilt zumindest dann, wenn TTIP abgeschlossen wird.

Wenn TTIP so umgesetzt und beschlossen wird, wie es derzeit geplant ist, dann wird
Deutschland zur Schachfigur im Machtspiel von weltweit handelnden
Wirtschaftsunternehmen, den Global Playern der Wirtschaft. Wir sind als Kreis mitten
drin in diesem Spiel. Das ist ein Spiel, dessen Regeln jetzt gerade in den
Verhandlungen festgelegt werden.

Meine Damen und Herren,
wir wollen dieses Spiel nicht. Wir wissen dabei, dass wir mit unserer Kritik nicht allein
sind. In weniger als zwei Monaten wurden seit Oktober 2014 mehr als eine Million
Unterschriften gegen TTIP gesammelt, allein in Deutschland.

Aber was ist denn nun an TTIP so gefährlich, dass es solche gewaltigen Aktivitäten
europaweit gibt?

Die Antwort ist ganz einfach.
TTIP ist mehr als ein normales Handelsabkommen. Es werden dort viele zusätzliche
Dinge geregelt, die in der Vergangenheit nicht üblich waren. Deshalb ist der Begriff
Handelsabkommen auch ein falsches Wort, um den Vertrag zu beschreiben.

Wir kennen alle die alt bekannten Handelsabkommen. Ein Handelsabkommen ist
eine Vereinbarung, die den Handel zwischen Staaten regeln und erleichtern soll. Es
geht da zum Beispiel um die Ein- und Ausfuhr von Gütern, die Lieferung von
Rohstoffen oder den Zugang zu Häfen. Es ging in der Vergangenheit im
Wesentlichen immer nur um Zölle, Exportsubventionen, Import- und Exportverbote
und mengenmäßige Beschränkungen.

Nun ist es aber so, dass es zwischen der EU und den USA kaum noch Zölle gibt, die
abgebaut werden könnten. Deren Anteil ist verschwindend gering. Etwa fünf Prozent,
so die Schätzungen, sind noch übrig. Dazu benötigen wir kein neues Abkommen,
das so weitreichende Folgen hat, wie es bei TTIP geplant ist. Die herkömmlichen
Handelsabkommen reichen völlig aus.
Außerdem wurden Handelsabkommen der alten Art in der Vergangenheit für eine
begrenzte Zeitdauer abgeschlossen. Diese war mal länger, mal kürzer. Immer aber
war im Gegensatz zu TTIP ein Ende abzusehen oder es gab eine
Kündigungsmöglichkeit.

Mit solchen Handelsabkommen hat DIE LINKE nie Probleme gehabt: Wir werden wir
auch in Zukunft damit keine Probleme haben. Wir haben aber Probleme mit den
Bestandteilen von TTIP, die weit über die bisherigen Inhalte von Handelsabkommen
hinausgehen und deren Folgewirkungen erst später richtig sichtbar werden.

Zu den Auswirkungen von TTIP hier nur ein Beispiel:
Minister Dr. Robert Habeck hat am 01. Dezember 2014 in Kiel in einer Veranstaltung
mit Vertretern des Kreises Schleswig-Flensburg – es ging um „Bergrechtliche
Verfahren und Gemeindebeteiligung“ – unmissverständlich klar gemacht, dass es
rechtlich möglich ist, über einen Handelsvertrag CETA oder TTIP als Hebel, Fracking

in Deutschland durchzusetzen. Da helfen dann auch keine Gesetze, die im
Bundestag beschlossen werden.

Hätten Sie das gedacht, dass ein Handelsabkommen Einfluss auf Fracking hat? Das
muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: so richtig schön. TTIP
öffnet die Tür für Fracking. Fracking ist aber kein Import oder Export; mit Fracking
wird kein Handel betrieben; Fracking ist eine Fördermethode, keine Ware, die
gehandelt wird.

An diesem Beispiel wird sofort eines klar: TTIP ist kein reines Handelsabkommen.
TTIP ist viel mehr und damit viel gefährlicher. Und weil das so ist, haben wir in
unserem Antrag ganz konkret sechs Forderungen aufgestellt.

Unser Antragstext lautet: Der Kreistag Schleswig-Flensburg lehnt TTIP, CETA und
TiSA ab, solange die nachfolgenden sechs Forderungen nicht erfüllt werden. Diese
sechs Punkte sind:
1. Der Vertragstext muss in einer offiziellen deutscher Übersetzung veröffentlicht
werden. Im Klartext bedeutet das: Städte, Kreise und Gemeinden müssen wissen,
wie der aktuelle Stand der Verhandlungen ist, damit sie ihre Interessen einbringen
können.
2. Es darf keinen Investorenschutz in dem TTIP-Abkommen enthalten sein. Im
Klartext bedeutet das: Kommunen müssen kein Sonderklagerecht bei privaten
Schiedsgerichten akzeptieren, dass ein unkalkulierbares Kostenrisiko in sich birgt.
3. Es darf keine Regelungsmöglichkeiten über ein „living agreement“ geben. Im
Klartext bedeutet das: Kommunen können kein Verfahren akzeptieren, mit dem
durch die Hintertür Interessen ohne die Möglichkeit staatlicher Kontrolle
durchgesetzt werden können.
4. Die Vertragsinhalte dürfen nur über den Ansatz von Positiv-Listen festgelegt
werden. Im Klartext bedeutet das: Jeder Vertrag, der nicht genau festlegt, was
gemacht werden darf und was nicht, birgt nur Unsicherheiten in sich.
5. Die Einrichtung privater Schiedsgerichte wird ausgeschlossen. Im Klartext
bedeutet das: Geheime, nicht demokratisch legitimierte Gerichte können in einem
Rechtsstaat nicht akzeptiert werden.
6. Die Handelsabkommen müssen befristet oder aber kündbar sein. Im Klartext
bedeutet das: Verträge müssen über eine Kündigungsklausel korrigierbar sein.
Alles andere birgt unkalkulierbare Risiken in sich.

Soweit zu unserem Antrag.
Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen, weil der CDU-Antrag eine
Schwachstelle hat, eine entscheidende Schwachstelle: Er arbeitet mit unbestimmten
Rechtsbegriffen wie Allgemeinwohl oder Daseinsvorsorge.
Derartige, nicht genau definierte, Begriffe laden förmlich ein zu Rechtsstreitigkeiten
vor Gerichten.
Vielen Dank für Ihre Geduld.

Erläuterung der Abkürzungen:

TTIP
ist die Abkürzung für ein Freihandelsabkommen, das eine ganz neuen inhaltlichen
Qualität besitzt: Dieses Abkommen soll zwischen der EU und den USA
abgeschlossen werden.

CETA
ist ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und Kanada. Es dient als
„Blaupause“ / Vorlage für die TTIP-Verhandlungen. Es muss wegen seiner
Gefährlichkeit genauso wie TTIP und TiSA verhindert werden.

TiSA
ist ein Dienstleistungsabkommen, das die umfassende Liberalisierung des
Dienstleistungshandels zum Ziel hat. Hier geht es z. B. um Daseinsvorsorge wie bei
der Bildung, der Kulturförderung, der Gesundheit oder bei den sozialen
Dienstleistungen.