Der Zwang zur digitalen Gremienarbeit

26. August 2020

Der Zwang zur digitalen Gremienarbeit

Sehr geehrte Damen und Herren,
es geht unter diesem Tagesordnungspunkt um die Frage, ob die Kreistagsarbeit mit
ihren Unterlagen zukünftig nur noch digital vorbereitet und durchgeführt werden soll
oder nicht.
Bei dieser Diskussion ist in der letzten Woche etwas Außergewöhnliches passiert:
Eine einmal zwischen den im Kreistag vertretenen Parteien getroffene Vereinbarung
– nämlich dass Kreistagsabgeordnete auf Wunsch auch zukünftig ihre
Sitzungsunterlagen in Papierform erhalten können – wurde einseitig aufgebrochen.
Treibende Kraft scheint dabei die CDU gewesen zu sein.
Wenn das so ist, kann man nur feststellen: Früher, bei dem vorherigen
Fraktionsvorsitzenden der CDU, konnte man sich auf eine einmal getroffene
Absprache verlassen. Da brauchte es keinen formalen Beschluss. Da reichte schon
das gegebene Wort. Da galt das Wort einer Partei, eines Fraktionsvorsitzenden.

Meine Damen und Herren,
mit dieser Vorgehensweise in der letzten Ältestenratssitzung wurde Vertrauen
zerstört.
Aber sei es drum. Die Realität hat sich geändert. Die Vereinbarung wurde
aufgekündigt. Es ist alles wieder offen. Aber wir werden dadurch leider zum Handeln
gezwungen, allein um unsere Rechtsposition nicht zu gefährden.
Nach allen Spielregeln, die bei Verhandlungen in Deutschland praktiziert werden,
sind wir in der Sache wieder beim Stand Null.
Alles ist wieder offen.

Ich werde als erstes unseren Antrag auf der Sachebene begründen und dann im
zweiten Teil eine politische Bewertung vornehmen.
Bei unserem Antrag geht es darum, dass Kreistagsabgeordnete auf Antrag auch
weiterhin – barrierefrei – Sitzungsunterlagen in Papierform erhalten können.

Zur Begründung:
Der ehrenamtlichen Tätigkeit wird im Kreis Schleswig-Flensburg ein hoher
Stellenwert beigemessen. Das gilt auch für die Arbeit im Kreistag und für dessen
Ausschüsse. Diese Arbeit sollte für die einzelnen Kreistagsabgeordneten seitens der
Verwaltung möglichst einfach gestaltet werden. Handicaps sollten berücksichtigt werden.

Der Kreis Schleswig-Flensburg und seine Kreistagsmitglieder setzen sich öffentlich
für Barrierefreiheit in allen Bereichen des Lebens ein. Die Verweigerung von
Sitzungsunterlagen in Papierform könnte für einzelne Kreistagsabgeordnete, z. B.
gesundheitlich, eine zusätzliche Hürde bei der Arbeit im Kreistag und dessen
Ausschüsse bedeuten. Dieses gilt es eindeutig auszuschließen.

Der vorliegende Antrag muss deshalb geändert werden, weil dadurch für einige
wenige Mitglieder die Teilhabe an der Kreistagsarbeit erschwert wird, wenn der
beabsichtigte Zwang eingeführt wird, nur mit Unterlagen in digitaler Form arbeiten zu
können. Dieses lässt sich mit unserem hier vorgelegten Änderungsantrag ohne großen Aufwand vermeiden.

Der vorgelegte Antrag bedeutet eine Diskriminierung einzelner Abgeordneten im
Vergleich zu den Abgeordneten größerer Fraktionen, da ein einzelner Abgeordnete
den zusätzlichen Zeitaufwand zum Ausdrucken der digital erstellten Unterlagen nicht
auf einen angestellten Mittarbeiter der Fraktion abwälzen kann.
Diese Zeit fehlt dann bei der Vorbereitung der Sitzung, bei der Zeit für seine Familie
oder sonst woanders in seinem Privatleben. Das kann doch nicht gewollt sein.

Dann bleibt da noch das Kostenargument:
Mit diesem Digitalisierungszwang werden Kosten der Verwaltung auf die Mitglieder
im Kreistag und in den Ausschüssen umgeschichtet.
Dagegen sind die Kosten, die dem Kreis bei einem Abgeordneten entstehen, der
seine Unterlagen weiter in Papierform erhalten möchte, als Zusatz-Kosten zu
vernachlässigen.
Die Sitzungsunterlagen müssen erstellt werden. Sie werden sowieso in kleinerer
Anzahl gedruckt. Da fallen die zusätzlichen Kosten für einen Kreistagsabgeordneten
bei vier Sitzungen im Jahr mit höchstens 50 Euro (Porto) an. Das ist bei der Größe
des Kreishaushalts nun wirklich eine zu vernachlässigende Größe, gemessen auch
an dem Wert der ehrenamtlich zur Verfügung gestellten Zeit.

Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen. Eine effektive demokratische
Mitarbeit im Kreistag müsste Ihnen doch diese 50 Euro wert sein.

Und nun zur politischen Bewertung.
Hier wurde mit „politischer Heimtücke“ vorgegangen: Da gibt es im Herbst 2017 eine
Einigung in Form eines Kreistagsbeschlusses. Das Problem ist gelöst und damit ist
das Thema von Tisch. Alle wiegen sich in Sicherheit.
Dann wurde diese Vereinbarung ohne jede Vorankündigung in der
Ältestenratssitzung vom 14.03.2018 handstreichartig gekippt.
Treibende Kraft scheint die CDU gewesen zu sein und eigentlich wohl auch in trauter
Eintracht mit der SPD, eine große Koalition also.
Und dann passierte da noch etwas Erstaunliches: Fast wortgleich stimmten SSW und
Grüne zu, auch hier in trauter Eintracht. Und das, wo doch der SSW immer für
Minderheitenschutz ist und die Grünen Barrieren abbauen wollen. Hier errichten sie
jetzt eine neue Barriere mit.

Meine Damen und Herren,
kurz zusammengefasst:
Schränken Sie die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten hier im Kreis nicht ein.
Überlassen Sie die Freiheit der Entscheidung jedem Abgeordneten selbst, wie er
seine Kreistagsarbeit gestalten möchte.
Vielen Dank.