TTIP – Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen

27. August 2020

Meine Damen und Herren,
TTIP – Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen, das klingt so harmlos
und ist doch so gefährlich.
Was da unter dem Namen Freihandelsabkommen daher kommt, ist gefährlich für uns
alle und es wird uns alle treffen. Es wird direkte oder indirekte Auswirkungen auf das
Leben für uns alle haben.
Die eine wird mehr, der andere weniger davon betroffen werden. Aber es wird keiner
verschont bleiben von den negativen Auswirkungen von TTIP, weder der Kreis und
die Gemeinden als staatliche Einrichtungen unserer Demokratie noch wir als
Menschen im Kreis Schleswig-Flensburg.
Wer also meint, den Kopf in den Sand stecken zu können und zu warten, bis der
Anfall vorüber geht, der trifft die falsche Entscheidung.
Ich nenne jetzt nur einige Beispiele – einige Bereiche, bei denen die Kreise und
Gemeinden von den Folgen des geplanten Abkommens spürbar betroffen werden:
->Wasserversorgung – Wasserentsorgung
->Schulbau
->Krankenhäuser
->Alten- und Pflegeheime
->Kindergärten
->Baugenehmigungen
->Flächennutzungspläne
->Sparkassen
->Sportstätten und Bäder
->Volkshochschulen
->Kultur, Theater, Museen.

Sie denken vielleicht: Das ist ja alles so kompliziert. Sie denken vielleicht, da kann
ich gar nicht durchblicken, also überlasse ich meine Entscheidung irgendwelchen
sogenannten Experten in Wirtschaft und Politik, in Rundfunk oder Presse.
Auch dann treffen Sie – aus meiner Sicht – eine falsche Entscheidung, denn bei
dieser Auseinandersetzung um TTIP gibt es keine neutralen Sachverständigen. Nur
Sie können für sich selbst entscheiden, was für Sie gut ist. Nur Sie werden sich
selbst nicht mit irgendwelchen Chancen und Versprechungen ködern.
Es gibt hier keine neutralen Experten, denn hinter TTIP stehen massive,
wirtschaftliche Interessen:
Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 21. September
2014 warten derzeit weltweit 1.486 Milliarden Dollar in den Händen von
Finanzinvestoren darauf, gewinnbringend angelegt zu werden. In Europa sind es
allein 299 Milliarden (Stand September 2014).

Es geht deshalb bei TTIP um neue Spielregeln für die Politik und die Wirtschaft.
Diese Spielregeln sollen Investitionen absichern, selbst, wenn dadurch der
demokratischen Einfluss gewählter Parlamente aushebeln wird.
Es geht also um Geld, um sehr viel Geld. Was interessiert da schon der kleine
Bürger, was interessieren da Menschen wie Du und ich?
Hierzu nur drei Beispiele:
Beispiel 1:
Wenn Ihnen in Ihrer Straße ein Supermarkt vor die Nase gesetzt werden soll und
Sie eine zu große Lärmbelästigung durch den Kunden- und Anlieferungsverkehr
befürchten, dann haben Sie bei TTIP kaum eine Möglichkeit, dieses zu verhindern;
dann können sich die Investoren durchsetzen, denn TTIP garantiert eine
Marktzugangsverpflichtung zu Gunsten von Investoren.
Beispiel 2:
Wenn Ihre Gemeinde die Einrichtung einer Sondermülldeponie verhindern möchte,
dann kann die Gemeinde dieses zukünftig nicht verhindern, denn dieses wäre nach
TTIP eine indirekte Enteignung, da die Gemeinde „das Verfügungsrecht eines
Investors an seinem Eigentum beeinträchtig“. Der internationale Investor kann sein
Recht nach TTIP einklagen vor nicht demokratisch zusammengesetzten Gerichten,
außerhalb unserer Rechtsnormen.
Beispiel 3:
Wenn Sie im Rahmen Ihrer öffentlichen Daseinsvorsorge einen Kindergarten oder
ein Pflegeheim gerne in kirchliche Hände geben möchten oder sonst einem
bestimmten Träger übertragen möchten und es kommt ein Investor daher und sagt:
Ich bin nicht mit einbezogen worden, ich habe davon nichts gehört, dann kann er mit
Hinweis auf TTIP auf dem Klagewege gegen den Willen der Kommune durchsetzen,
dass er als privater Investor dort investieren darf.
Und sagen Sie jetzt nicht, das ist alles weit weg. Ist es leider nicht. Zurzeit versucht
der dänische Falck Rettungsdienst, sich auf rechtlichem Wege gegenüber dem
Kreis, Marktanteile zu sichern, obwohl der Kreistag unter Berücksichtigung des
Gemeinwohls anders entschieden hat. Falck ist nun wahrlich kein großer
internationaler Konzern, sondern nur ein kleines Licht. Aber selbst der bereitet uns
Ärger, bindet Personal in der Verwaltung und verursacht dem Kreis Kosten.
Das ist ein kleiner Vorgeschmack darauf, was TTIP ermöglichen wird.

Wenn Sie jetzt sagen, ist ja alles gut und schön. Ich habe versucht, mich schlau zu
machen, aber das ist alles so kompliziert und verwirrend, da blickt ja keiner durch.
Das ist auf den ersten Blick völlig richtig. Aber wir haben ja unseren gesunden
Menschenverstand. Der hilft uns da schon ein ganzes Stück weiter.
Wir wissen drei Dinge:
1. Es geht bei TTIP und den anderen Abkommen darum, möglichst viele
gesellschaftliche Bereiche für private Investoren zu öffnen, ihnen regional und
weltweit neue Märkte zu eröffnen.
2. Wir haben Informationen aus den Verhandlungen, die durchgesickert sind.
3. Wir kennen die Logik, nach der Investoren in einer Marktwirtschaft ihre
Investitionsentscheidungen treffen.
Auf Grund dieser Informationen können wir alle ziemlich genau abschätzen – jeder
für sich – wo wir durch TTIP Nachteile haben werden, wenn das Abkommen wie
geplant durchgesetzt wird. Denn es genügt, die betriebswirtschaftliche Logik
anzuwenden, nach der internationale Konzerne gesteuert und geführt werden. Diese
nutzen jede Chance, Gewinnmöglichkeiten auszuschöpfen, unabhängig davon, ob es
einen gesellschaftlichen Nutzen für die Menschen mit sich bringt oder nicht. Es zählt nur das Einzelinteresse eines Unternehmens oder Konzerns.
So wird es an den Universitäten den Wirtschaftsstudenten für ihr Examen beigebracht.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, jetzt schließen mit den Worten von
unserer Bundeskanzlerin, die am vergangenen Sonntag, am 23.09.2014, auf dem
„Deutschen Tag der Industrie“ in Berlin mit Blick auf die Bevölkerung u. a. richtig
gesagt hat: „Wir müssen aufklären, dass es bei TTIP nicht um Schlagwörter geht wie
Chlorhühnchen und Hormonfleisch.“
Recht hat sie. Es geht um mehr, um viel, viel mehr.

Deshalb freue ich mich auch, dass wir uns im Ältestenrat einig darüber geworden
sind, die Problematik TTIP in aller Ruhe im Hauptausschuss erörtern zu können. Uns
drängt ja nichts, denn die Verhandlungen werden noch Jahre dauern, mindestens
zwei.
Wir aber müssen als Kreistagsabgeordnete mit dazu beitragen, dass Kommunen und
Länder mit in die Verhandlung eingreifen können, um unsere Interessen
durchzusetzen.
Es muss – auch bei TTIP – immer darum gehen, dass zum Wohle der Bevölkerung
entschieden wird und nicht gegen die Bevölkerung und damit gegen uns.
In diesem Sinne danke ich Ihnen für das Zuhören.

Nachtrag:
Durch den Hinweis der CDU-Fraktion, dass sie noch Handlungsbedarf habe, wurde
ein Beschluss erfolgreich verhindert.
Obwohl die Öffentlichkeit schon sehr lange über Freihandelsverträge kontrovers
diskutierte, hielt sich der Kreistag mehrheitlich für „nicht kompetent“, denn der Antrag
wurde für die „weitere Vorgehensweise in Bezug auf die derzeit verhandelten
Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA“ an den Hauptausschuss verwiesen.